"Gemeinsam mit Begeisterung agieren, ohne vordergründig zu merken, wie viel dabei gelernt wird – Schule eben anders"

"Gemeinsam mit Begeisterung agieren, ohne vordergründig zu merken, wie viel dabei gelernt wird – Schule eben anders"

Karola Wesemeier ist Lehrerin an der Börde-Schule in Oschersleben und stolze Besitzerin von drei Norfolk-Terriern. Im Jahr 2012 initiierte und gründete sie die Schülerfirma „School Dogs & Kids“. Hinter dem Schülerunternehmen stehen ein Team aus engagierten Schülerinnen und Schülern der Förderschule, Frau Wesemeier als Projektleiterin, Frau Ertl (Schulsozialarbeiterin) und die drei Vierbeiner als Therapiehunde. Die Arbeit der Schülerfirma basiert auf zwei Standbeinen: Zum einen produziert das junge Gründerteam Produkte für Hunde und deren Besitzer und verkauft diese auf Messen und regionalen Märkten. Andererseits besuchen die Schülerinnen und Schüler mit den Hunden regelmäßig Seniorenheime. Ein großes Netz an Kooperationspartnern, unter anderem ein Pflegedienst, eine Kleintierarztpraxis und eine Glaserei, unterstützt die Schülerfirma in ihrer aktiven Arbeit.

 

Was war Ihre Motivation, die Gründung einer Schülerfirma an Ihrer Schule zu unterstützen?

Im Rahmen der Ausbildung meiner Hunde erwarb ich in NRW von einer Schülerfirma ein Sportgerät für die motorische Förderung von Mädchen und Jungen unterer Klassen. So war meine Neugierde an der Materie Schülerfirmenarbeit geweckt.

Als dann zwei Monate später eine Fortbildung zum Thema „Gründung von Schülerfirmen an Förderschulen“ von GRÜNDERKIDS angeboten wurde, war es „passiert“. Ich war „infiziert“ und wurde dabei tatkräftig von unserer Schulleitung und dem Förderverein unterstützt. 

Die Schülerinnen und Schüler dafür zu motivieren, war nicht nötig. Die sprühten vor Begeisterung und Tatendrang. Unsere Projektidee basiert auf der Arbeit mit den Schulhunden (tiergestützte Pädagogik) und meinen Erfahrungen aus ehrenamtlichen Besuchsdiensten in Seniorenheimen. Angefangen hat alles mittig im Schuljahr mit meiner eigenen 8. Klasse. Kooperationspartner, die unsere Geschäftsidee vielversprechend fanden und uns unterstützten, waren recht schnell gefunden.

In der Zwischenzeit agieren Kids der Klassenstufen 7 bis 9 in der Schülerfirma. Sie sind schnell zu einem tollen, tierliebenden Team zusammengewachsen und werden zu „Profis“ im Umgang mit Hunden. Sie lernen Verantwortung zu übernehmen und sich kritisch und selbstkritisch in angemessener Form miteinander auseinanderzusetzen.

Was begeistert die Schülerinnen und Schüler an der Arbeit in einer Schülerfirma?

Da die Resonanz von außen, beispielsweise bei den Besuchsdiensten, anderen Auftritten und auf Märkten sehr positiv ist, werden die Förderschüler in ihrem Selbstbewusstsein gestärkt. Sie identifizieren sich absolut mit dieser Arbeit und sind stolz, Mitglied der Schülerfirma zu sein.  

Ein Schüler fährt mit dem Zug, um am Besuchsdienst, der am Nachmittag stattfindet, teilnehmen zu können. Dabei nimmt er eine ziemlich lange Wartezeit in Kauf. Das finde ich sehr beeindruckend. Eine Schülerin wird vom Vater mit dem Auto zum Besuchsdienst gebracht, da der Bus zur entsprechenden Zeit nicht fährt. Ohne Unterstützung der Eltern und der Erzieherinnen und Erzieher funktioniert unsere Arbeit nicht.    

Schülerfirmenkids müssen bereit sein, mehr zu leisten als Schüler anderer Wahlförderkurse. Sie entwickeln einen gesunden Ehrgeiz, Ausdauer und Durchhaltevermögen.

Wie in einer Schülerfirma üblich, bekleiden die Kids unterschiedliche Funktionen. Sie erwerben dabei zahlreiche Kompetenzen. 

Welchen Nutzen hat die Schule von diesem pädagogischen Projekt?

Die Schülerfirma ist ein Aushängeschild der Schule. Da wir durch tolle Sponsoren (Pflegedienstleistung Grit Köllmer, WG „Neues Leben“, „Brillenprofil“/Inhaberin Frau Sopper) über Schülerfirmenshirts und Jacken mit entsprechendem Aufdruck verfügen, machen wir also überall, wenn wir unterwegs sind, Werbung für unsere Schule. So konnten wir zweimal an der Internationalen Schülerfirmenmesse in Berlin teilnehmen. Mit unseren Starts bei der Schülerfirmenstaffel in Magdeburg waren wir als Vertreter unserer Schule sehr erfolgreich. Die Schülerfirma tritt natürlich auch zu Schulfesten mit einem Programm auf und ist mit einem Verkaufsstand vertreten. Hin und wieder wird über uns in der hiesigen Presse berichtet.

Wie wichtig ist es für Sie, dass Sie während der Gründung und in der täglichen Arbeit durch Partner von außen, wie zum Beispiel GRÜNDERKIDS, unterstützt werden?

Ohne GRÜNDERKIDS gäbe es uns nicht. Diana Redner hat uns sozusagen das Laufen beigebracht. Wir befinden uns im 5. Schülerfirmenjahr. Dennoch ergibt sich immer wieder mal eine Frage. Anruf genügt … Das Team von GRÜNDERKIDS ist immer für uns da. Sehr hilfreich in unserer Entwicklung sind die Fortbildungsangebote. Gerade das Kommunikationstraining hat sich beim Verkauf unserer Produkte auf Messen und Märkten ausgezahlt. Mit unseren Kooperationspartnern sind wir seit Jahren sehr glücklich. 

Wie viel Zeit investieren Sie in die Schülerfirmenarbeit? Worin sehen Sie Ihre Hauptaufgaben als Projektbegleiterin?

Ich investiere nicht wenig Freizeit in dieses Projekt, welches mir eine Herzensangelegenheit ist. Grundlage dafür ist ein verständnisvoller Ehemann.

Es fängt bei der Ausbildung der Hunde zum Schulhund oder zu Therapieteamhunden an. Nur Tricks, die die Hunde bereits mit mir trainiert haben, klappen auch im Zusammenspiel mit den Schülern.

Für die Vorbereitung der jährlichen Teilnahme am Besonderen Weihnachtsmarkt der Werkstatt für Menschen mit Behinderung in Oschersleben, der immer supergut besucht wird, muss man beispielsweise viele Stunden einplanen.

Jedes Jahr im Februar nehmen wir am Karnevalsumzug im Nachbarort Gröningen teil. Dann gibt es wieder ruhigere Phasen.

Ganz wichtig als Projektbegleiterin ist mir, dass die Kids mit ihrem Haustier artgerecht umgehen und es sinnvoll beschäftigen. Im günstigen Fall tragen sie innerhalb der Familie dazu bei, dass ein Tier nicht ohne reifliche Vorüberlegung angeschafft wird. Aus diesem Grund haben wir auch die Tierheime in Magdeburg, Satuelle und Berlin besucht.

Teamfähigkeit, Pünktlichkeit, Ausdauer, Fleiß, Verlässlichkeit … sind grundlegende Eigenschaften, um im Berufsleben bestehen zu können. Ich hoffe und wünsche mir, dass die Schülerfirmenarbeit bei jedem einzelnen Mitglied dazu beiträgt.

Das gute Miteinander von Jung und Alt finde ich in der heutigen Zeit sehr wichtig. Davon kann man sich ein Bild bei unseren Besuchsdiensten machen.   

In einer Förderschule ist es notwendig, stärker zu leiten und zu lenken. Dennoch übernehmen die Schülerfirmenkids eigenverantwortlich und kreativ viele Aufgaben. So recherchieren sie im Internet, um neue Produktideen zu finden. Gemeinsam wird dann entschieden, ob sich diese für uns eignet. Die Schülerinnen und Schüler denken sich neue Elemente für unsere Auftritte aus und trainieren teilweise zu Hause dafür. Die Schülerfirmenchefs erinnern die Mitglieder, was beim jeweiligen Auftritt zu tragen ist …

Auch dass etwas mal nicht klappt, gehört dazu.

Wie ist die Schülerfirma zeitlich und inhaltlich in die Schule und das Schulkonzept eingebunden? Arbeiten Sie jahrgangsübergreifend? Falls ja, wie realisieren Sie das zeitlich? Gibt es fächerübergreifende Ansätze oder eine Zusammenarbeit mit Fachlehrkräften?

Seitens der Schulleitung, die die Schülerfirmenarbeit tatkräftig unterstützt, werden uns zwei Wochenstunden zur Verfügung gestellt. Donnerstags in der 6. Stunde finden für die Schülerinnen und Schüler der Klassenstufen 7 bis 9 alle Wahlförderkurse an unserer Schule statt. Uns trifft man dann noch in der 7. Stunde an.

Die frühe berufliche Orientierung besitzt an unserer Schule einen hohen Stellenwert. In diesem Rahmen ist die Schülerfirmentätigkeit Bestandteil des Schulkonzepts. Die Kids haben die Möglichkeit, bei unseren Kooperationspartnern den Zukunftstag bzw. ein Schulpraktikum zu absolvieren.   

In jedem Fall ist eine gute Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen eine entscheidende Grundlage für eine erfolgreiche Schülerfirmenarbeit.

Mit den jeweiligen Klassenlehrerinnen und Klassenlehrern sind regelmäßige Absprachen wichtig. Da ich keinen Maschinenschein besitze, helfen uns die Wirtschaft/Technik-Lehrerinnen. Im Fach Hauswirtschaft werden hin und wieder ein paar Hundeplätzchen nebenbei gebacken. Nicht zu vergessen sind unsere technischen Kräfte, die uns ebenso unterstützen.

Unsere Schulsozialarbeiterin, die mir engagiert bei der Schülerfirmentätigkeit zur Seite steht, bastelt auf Wunsch der Schülerinnen und Schüler auch in der großen Pause für die Firma.

Das ist alles gewachsen. Bei allem Engagement muss man Geduld haben und den Dingen seine Zeit lassen.

Ist die Mitarbeit in einer Schülerfirma aus Ihrer Sicht für das spätere Berufsleben wichtig?

Ganz wichtig … Beispiele im Rahmen unserer Schülerfirmentätigkeit zeigen, dass die Funktion und die Tätigkeiten einschließlich der Praktika den Ausschlag bei der Berufswahl gegeben haben. So wurde eine Schülerin Verkäuferin, eine Altenpflegerin, eine Köchin. Zu vielen hat man natürlich keinen Kontakt mehr. In jedem Fall weiß ich, dass bei einigen ehemaligen Kids die Schülerfirma ein Schwerpunktthema beim Vorstellungsgespräch gewesen ist. Eine sehr engagierte Schülerin, die im vergangenen Schuljahr unsere Einrichtung verlassen hat, bewirbt sich jetzt um einen Ausbildungsplatz als Tierpflegerin … und hat wohl gute Chancen.    

 

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