„Schülerfirmen bieten ein außergewöhnliches Lernumfeld“

„Schülerfirmen bieten ein außergewöhnliches Lernumfeld“

Angela Papenburg ist Geschäftsführerin innerhalb der GP Günter Papenburg Unternehmensgruppe und ehrenamtliche Vorsitzende des Netzwerkes SCHULEWIRTSCHAFT in Sachsen-Anhalt. Als Unternehmerin wünscht sie sich eine zunehmende Begeisterung für MINT und ökonomische Bildung und engagiert sich sehr für eine enge Zusammenarbeit von Schulen und Unternehmen, für praxisnahe Berufsorientierung sowie für die Gründung und Verbreitung von Schülerfirmen. So unterstützt sie zum Beispiel aktiv Schülerfirmen in Halle (Saale) im Arbeitsprozess und stellt ihr Know-how Schülerinnen, Schülern und Lehrkräften in Workshops zur Verfügung.

Worin sehen Sie die Potenziale von Schülerfirmen?

Schülerfirmen können die Lehrinhalte aller Unterrichtsfächer bereichern und zu einer Öffnung der Schule für neue Ideen und individuelles Lernen beitragen. Sie bieten Anregungen für außerschulische Lernerfahrungen, die gerade heute für Schülerinnen und Schüler aus einem benachteiligten Lebensumfeld besonders wichtig sind.

Inwieweit können Schülerfirmen aus Ihrer Sicht dazu beitragen, Schülerinnen und Schüler auf die Anforderungen des Arbeitslebens vorzubereiten?

In einer Schülerfirma gibt es stets Herausforderungen und Probleme, die gelöst werden müssen. Die Lernenden müssen Entscheidungen treffen und manchmal ein gewisses Risiko eingehen. Sie müssen sich mit den Wünschen der Kunden und den Vorstellungen von Geschäfts- und Kooperationspartnern auseinandersetzen. Sie erleben, dass das in der Schule Erlernte zwar wichtig ist, aber dass Organisationstalent, Teamgeist, Kreativität und viele andere persönliche Kompetenzen zum Erfolg führen.

Wie haben sich die Herausforderungen in Ihrem Unternehmen in den letzten Jahren gewandelt? Welche Auswirkungen hat das auf Ihre Anforderungen an potentielle Auszubildende?

Die Digitalisierung verändert unsere Arbeitswelt in rasantem Tempo, sodass langfristige Zielsetzungen schwieriger zu formulieren sind. Trotz dieser Unsicherheit müssen wir zukünftig eine hohe Bereitschaft für ständige Veränderungen und sehr große Motivation für das lebenslange Lernen mitbringen. Schnell verfügbare Informationen bestimmen unser kurzfristiges Handeln, sodass Flexibilität und Erfahrungswissen, das Schülerinnen und Schüler aus der Schule kaum mitbringen, immer wichtiger werden.

Was war Ihre Motivation, sich für Schülerfirmen zu engagieren?

Ich finde es wichtig, dass sich junge Menschen mit dem Unternehmertum als Alternative für ihren Lebensweg auseinandersetzen. Die Schule bietet hierfür meistens keine Gelegenheit und auch ein Praktikum kann in diesem Sinne nur wenige Erkenntnisse bieten. Wir brauchen aber junge Menschen, die zukünftig bereit sind Verantwortung zu übernehmen, Betriebe zu führen und das eigene Potenzial für Innovationen einzusetzen.

Sie sind auch Kooperationspartner einer Schülerfirma. Seit wann besteht die Zusammenarbeit und wie sieht sie praktisch aus?

Die Kooperationsvereinbarung mit der Schülerfirma SMdIGS wurde 2010 geschlossen. Da sich das Personal in der Schülerfirma naturgemäß im Laufe der Zeit verändert, stellen wir unser Unternehmen, die Aufgaben unserer Marketingabteilung und verschiedene Marketinginstrumente regelmäßig vor, um zu zeigen, wie ein reales Unternehmen agiert und wie wirtschaftlich gedacht und gehandelt wird. Wir unterstützen die Arbeit der Schülerfirma durch unser Know-how, bei der Abwicklung von Aufträgen im Rahmen unserer eigenen Großbestellungen und bei der Vorfinanzierung von Bestellungen. Gleichzeitig liefert uns die Schülerfirma Ideen bei der Suche nach geeigneten Werbeartikeln für die Zielgruppe „Kinder und Jugendliche“.

Was brauchen Ihrer Erfahrung nach sowohl Schule als auch Unternehmen hinsichtlich einer guten Zusammenarbeit?

Grundsätzlich sollten Schule und Unternehmen eine schriftliche Kooperationsvereinbarung abschließen, in der die Zielsetzungen, der Nutzen für beide Seiten, die Ansprechpartner und der gemeinsame, regelmäßige Austausch klar formuliert sind. Es sollte spätestens zum Schuljahresanfang ein Jahresplan erstellt werden, in dem Maßnahmen mit einem entsprechenden Zeitrahmen festgelegt werden. Daraus ergibt sich eine gewisse Verbindlichkeit und eine gute Möglichkeit der Bewertung der Kooperation beispielsweise zum Jahresende. Bei allen Aktivitäten sollten Schule und Unternehmen auf Augenhöhe agieren, zunehmend Verständnis füreinander entwickeln und die Interessen der eigentlichen Zielgruppe, nämlich der Kinder, Jugendlichen und Eltern, nicht aus dem Blick verlieren.

Bitte stellen Sie kurz dar, was Sie mit dem Thema Schülerfirma verbinden.

Schülerfirmen bieten ein außergewöhnliches Lernumfeld, das leider sehr stark unterschätzt wird. Anstatt die Lernerfahrungen beispielsweise in der Produktentwicklung, der Buchhaltung, im Verkauf und Marketing in den regulären Unterricht einzubauen, wird von den Schülerinnen, den Schülern und den Lehrkräften ein Engagement in der Freizeit erwartet. Das verdient höchste Anerkennung, aber: Die Wertschätzung durch öffentliche Wahrnehmung sowie qualifizierte Zertifikate und schließlich bei Bewerbungsgesprächen in Unternehmen ist viel zu gering.

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